21. November 2024

Neue Kriegsgefahr

14.01.2012 / Titel / Seite 1Inhalt

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Von Fidel Castro

 

Ein US-Kampfjet startet von dem vor der iranischen Küste kr

Ein US-Kampfjet startet von dem vor der iranischen Küste kreuzenden Flugzeugträger
»USS John C. Stennis« (23. November 2011)
Foto: Reuters

Am Mittwoch hatte ich die Freude, mich in aller Ruhe mit Mahmud Ahmadinedschad zu unterhalten. Dabei erlebte ich den iranischen Präsidenten absolut ruhig und gelassen, von den Drohungen der Yankees absolut unbeeindruckt, voller Vertrauen in die Fähigkeit seines Volkes, jeder Aggression zu begegnen, und in die Effizienz der Waffen, die sie zu einem Großteil selbst produzieren, um von den Aggressoren einen unbezahlbaren Preis zu verlangen.

Allerdings haben wir über das Kriegsthema kaum gesprochen. Seine Gedanken konzentrierten sich auf die Ideen, die er bei seinem Vortrag im Großen Auditorium der Universität von Havanna vorgestellt hatte und die sich auf den Kampf um den Menschen kreisten. Ich bin sicher, daß von seiten des Iran keine unbedachten Handlungen zu erwarten sind, die zum Ausbrechen eines Krieges beitragen könnten. Wenn dieser nicht zu verhindern ist, wird er das alleinige Ergebnis des Abenteurertums und der ihm angeboren Verantwortungslosigkeit des Yankee-Imperiums sein.

Ich meinerseits denke, daß die um den Iran geschaffene politische Lage, die das Risiko eines Atomkrieges beinhaltet, die Existenz unserer Gattung bedroht. Der Mittlere Osten ist zur konfliktreichsten Region der Welt geworden, und er ist das Gebiet, in dem die für die Wirtschaft des Planeten lebenswichtigen Energieressourcen geschaffen werden.

Ich teile, wie zweifellos alle Menschen mit einem Mindestmaß an Verantwortungsbewußtsein, die Einschätzung, daß kein Land, ob groß oder klein, das Recht auf den Besitz von Atomwaffen hat.

Wenn der Faschismus die gegen den Nazismus zusammengeschlossenen Mächte dazu gezwungen hat, den Wettlauf mit diesem Feind der Menschheit um die Herstellung einer solchen Waffe aufzunehmen, wäre die erste Pflicht nach der Beendigung des Krieges und der Schaffung der Organisation der Vereinten Nationen gewesen, diese Waffe ohne jede Ausnahme zu verbieten.

Jeden müßte heute die Ruhe überraschen, mit der die Vereinigten Staaten und das zivilisierte Europa die Sanktionskampagne gegen den Iran mit einer systematischen Terrorpraxis unterstützen. Am 11. Januar 2012 starb nahe der Allameh-Tabatabai-Universität im Osten Teherans der Wissenschaftler Mustafa Ahmadi Roschan, der am Reaktor von Natanz arbeitete und dessen Vizedirektor für Handelsangelegenheiten war, bei der Explosion einer Magnetbombe, die an seinem Auto angebracht worden war. Wie in den Jahren zuvor beschuldigte der Iran erneut die Vereinigten Staaten und Israel.

Es handelt sich um eine selektive Menschenjagd auf herausragende iranische Wissenschaftler, die systematisch ermordet werden. Ich habe Artikel von bekannten Sympathisanten Israels gelesen, die von Verbrechen sprechen, die ihr Geheimdienst in Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten und der NATO verübt hat, als wenn dies etwas ganz Normales wäre.

Gleichzeitig berichten die Agenturen aus Moskau, daß Rußland heute gewarnt hat, daß sich in Syrien ein mit Libyen vergleichbares Szenario entwickelt, jedoch warnte, daß der Angriff diesmal von der benachbarten Türkei ausgehen werde.

Die Nachrichten kommen nicht nur aus dem Iran und dem Mittleren Osten, sondern auch von anderen Punkten des an den Mittleren Osten angrenzenden Zentralasien. Die Vereinigten Staaten sind durch ihre widersprüchliche und absurde imperiale Politik in ernsthafte Probleme verwickelt worden. So in Pakistan, dessen Grenzen mit einem weiteren wichtigen Staat, Afghanistan, von den Kolonialherren gezogen wurden, ohne Kulturen oder Ethnien zu berücksichtigen.

In letzterem Land, das über Jahrhunderte seine Unabhängigkeit gegen den englischen Kolonialismus verteidigt hat, hat sich die Drogenproduktion seit der Yankee-Invasion vervielfacht. Und die von unbemannten Flugzeugen und ausgeklügelten Waffen der Vereinigten Staaten unterstützten europäischen Soldaten begehen beschämende Massaker, die den Haß der Bevölkerung vergrößern und die Chancen auf Frieden in die Ferne rücken lassen. Es ist extrem unmenschlich, daß Männer, Frauen und Kinder, oder ein afghanischer Kämpfer, der gegen die ausländische Besatzung kämpft, von den Bomben der unbemannten Flugzeuge ermordet werden.

Man kann jene Tausende Kilometer von ihrem Heimatland entfernt von ihren Familien und Freunden getrennten Soldaten sogar bedauern, die zum Kämpfen in Länder geschickt wurden, von denen sie im Schulunterricht vielleicht kein einziges Mal gehört haben, und wo sie den Auftrag bekommen, zu töten oder zu sterben, um die transnationalen Konzerne, Waffenfabrikanten und skrupellosen Politiker reicher zu machen, die jedes Jahr die Mittel verprassen, die für die Ernährung und Bildung der unzähligen Millionen Hungernden und Analphabeten der Welt gebraucht werden.

Übertreibe ich etwa, wenn ich sage, daß der Weltfrieden an einem seidenen Faden hängt?

Die vollständige Fassung dieser Reflexion des früheren kubanischen Präsidenten kann unter www.jungewelt.de abgerufen werden

 

Übersetzung: André Scheer

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