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Uneingeschränkt und unwiderruflich
Ein Schirm mit ganz speziellen Regeln
Heute wurde in Brüssel der geheimnisumwitterte Vertrag über den neuen Euro-Rettungsfonds ESM unterzeichnet. Der Ministerrat hat auch gleich den Text veröffentlicht. Bedenklich wirkt, dass sich die Unterzeichner – darunter auch Deutschland – uneingeschränkt und unwiderruflich verpflichten, nicht nur ihren Anteil einzuzahlen, sondern bei Bedarf auch Geld nachzuschießen. Außerdem ist eine strafrechtliche Immunität der ESM-Verwalter vorgesehen.
Der Text findet sich hier. Ein erster Kommentar steht hier. Verblüffend ist, dass der Vertrag erst heute still und leise unterschrieben wurde – dabei haben ihn die Euro-Chefs bereits am Montag auf ihrem Gipfel verabschiedet. Kaum ein EU-Korrespondent war informiert, nur die österreichische Presse hat es gemerkt. Auch die meisten Parlamentarier dürften das Ereignis verschlafen haben – dabei ist der Text ein Musterbeispiel dafür, wie die Demokratie ausgehebelt wird.
Offenbar ist den Unterzeichnern selbst nicht ganz wohl dabei. Denn auch das Factsheet, das der Rat herausgegeben hat, geht auf die heiklen Punkte nicht oder nur am Rande ein. Es hebt nur hervor, was schon bekannt war: Dass die Euro-Retter künftig auch vorsorglich tätig werden können, und dass die Eurozone nun den Regeln des IWF folgt, also keine Beteiligung privater Gläubiger mehr zu “fürchten” ist (in Griechenland hatte dies zu Panik und zu erhöhten Risikoprämien für halb Europa geführt – einer der größten Fehler Merkels).
Doch was soll die Klausel, dass die ESM-Partner “uneingeschränkt und unwiderruflich” zahlen müssen? Wieso die Immunität? Und wieso schon wieder diese “strikte Konditionalität” von Hilfen? Sie hat in Griechenland bekanntlich dazu geführt, dass es alle sechs Wochen zu einer neuen Nervenkrise kommt – weil die Konditionen in Athen nicht erfüllt wurden bzw. nicht erfüllt werden konnten!
Natürlich muss die Hilfe an Bedingungen gebunden werden. Eine Konditionalität sollte sich jedoch nicht auf die Mittel, sondern auf die Ziele beziehen, und diese Ziele sollten realistisch und konstruktiv sein. Also Wachstum fördern statt die Konjunktur kaputtsparen, Einnahmen erhöhen statt Ausgaben kürzen. Sonst geht es nicht um Rettung, sondern um Unterwerfung. Aber vielleicht ist ja genau das gemeint?
Für mich ist der ESM weniger ein “Rettungschirm”, sondern vielmehr ein Abschreckungsinstrument. In der aktuellen Form schreckt er vor allem potentiell hiflsbedürftige Staaten davor ab, auch wirklich Hilfe anzufordern. Denn die Bedingungen sind knallhart. Eigentlich sollte es aber darum gehen, den Schirm so auszugestalten, dass er vor Attacken auf den Euro und seine Länder abschreckt.
Genau darum kreist denn auch die aktuelle Debatte um die endgültige Größe des ESM. Nach Italien und dem IWF hat sich heute auch die OECD für eine Verdoppelung der Ausleihkapazität auf rund eine Billion Euro ausgesprochen (bisher sind es 500 Mill. Euro). Wo Kanzlerin Merkel steht, muss ich wohl nicht noch erklären, oder?